Wie zukunftsfähig ist mein ERP-System?
Sozialwirtschaftliche Unternehmen sollten ihr ERP-System auf den Prüfstand stellen
Ohne ein funktionierendes ERP-System lässt sich eine sozialwirtschaftliche Unternehmensstruktur heute nicht mehr effizient betreiben. In dem „digitalen Herz“ jeder Einrichtung bzw. jedes Unternehmens laufen alle Bereiche vom Einkauf über Personal und Marketing, der Arbeit mit dem Kunden, der Leistungsabrechnung, der Teilhabedokumentation bis hin zur marktgerechten Kundenansprache zusammen. Daher bildet das ERP-System die zentrale Basis für eigene Digitalisierungsbestrebungen, an denen kein Unternehmen vorbeikommt. Denn durch die Digitalisierung können Unternehmen ihre Effizienz und Performance verbessern und sich dabei flexibel in sich schneller ändernden Marktumgebungen positionieren. Die eigene Digitalisierung ermöglicht es zudem, sich weitere oder neue Geschäftsfelder zu erschließen. Die Digitalisierung sichert also die Zukunft des eigenen Sozialunternehmens und macht sie auch für die Mitarbeitenden attraktiv. Wer sich fragt, wie das eigene Unternehmen die Möglichkeiten der Digitalisierung für sich besser nutzen kann, muss fast zwangsläufig sein zentrales ERP-System auf den Prüfstand stellen, sofern ein solches bereits im Einsatz ist bzw. intensive Bemühungen anstreben, sich mit Hilfe eines ERP-Systems für die neuen Anforderungen im sozialgesellschaftlichen und sozialwirtschaftlichen Kontext wettbewerbsorientiert aufzustellen
Die Möglichkeiten eines modernen ERP-Systems sind heute viel größer und sehr ausgereift als noch vor einigen Jahren. Und sie werden sich in den nächsten Jahren weiter in Richtung Business Intelligenz und Geschäftsvorfall orientierte Agilität entwickeln. Auf diesem Weg bieten schon heute Cloud-Plattformen und offene Schnittstellen Flexibilität. Prozesse lassen sich automatisieren und Datenmassen über künstliche Intelligenz leicht nutzbar machen. Viel leichter lassen sich Geschäftsprozesse so nicht nur innerhalb, sondern auch über die Unternehmensgrenzen hinaus verflechten und beschleunigen.
Als Entscheider innerhalb der Sozialwirtschaft sollte man sich daher fragen, in wie weit das eigene ERP-System die eigenen Unternehmensziele aktuell unterstützt und künftig unterstützen kann. Bildet es die gewünschten Prozesse optimal ab? Unterstützt es das Team, liefert es eine optimale Usability? Kurz gesagt: Bietet es tatsächlich die erforderliche gute Basis für den digitalen Wandel, der auch die Sozialwirtschaft umwälzen wird? Die folgenden fünf Schritte helfen dabei, das eigene ERP-System zu prüfen:
1. Eigene Ziele und aktuelle Position definieren
Unternehmen sollten sich angesichts der Möglichkeiten, die die Digitalisierung bietet, fragen, welche eigenen Ziele sie sich für die nächsten fünf Jahre setzen möchten. Welche Kundenerwartungen sollen künftig auf welche Weise erfüllt werden? Welches Leistungsportfolio soll abgedeckt, welche Unternehmensbereiche sollen ausgebaut werden? Nachdem die Ziele gesteckt sind, sollte dies mit der aktuellen Position abgeglichen werden. Wie weit sind die Ziele hiervon „entfernt“? Was benötige ich zur Zielerreichung? Welche Prozesse und Businessanwendungen passen zu den Zielen, welche neuen wären sinnvoll, welche bisherigen sollten abgeschafft werden? Welche Zeitspanne liegt nach sorgfältiger Schätzung zwischen dem aktuellen Stand und der Realisierung der Ziele? Oft werden auf diesem Weg zunächst die bestehenden Prozesse beschleunigt und verbessert. Meist ist die Basis hierfür die entsprechende Technologie, die einen Echtzeitzugriff auf Daten und die Analyse auf Basis von Datenmodellen ermöglicht. Danach können in der zweiten Phase Automatisierungs- und intelligente Anwendungen ergänzt werden und schließlich ausgebaut werden zu einem intelligent funktionierenden IT-System, in das auch Partner, die sozialwirtschaftlichen Akteure, Tochtergesellschaften und vor allem – der digital affine Kunde der Zukunft - eingebunden sind.
2. Transparenz über alle Ressourcen und Daten schaffen
Im zweiten Schritt sollten Sozialunternehmen einen Blick auf ihre Daten werfen. Denn ein ERP-System kann nur dann in vollem Umfang genutzt werden, wenn es auf alle vorhandenen Daten aktuell zugreifen kann. Was hier vor einigen Jahren noch recht aufwendig war, ist dank neuer Technologien heute sehr gut realisierbar. Es lassen sich aktuelle Daten in großer Masse anbinden, auch solche von Partnern oder Kunden. Daher sollten sich Sozialunternehmen fragen, welche Datenbestände sie aktuell nutzen, ob diese weiter relevant sind und welche zusätzlichen Datenquellen sich nutzen ließen. Die Grundfrage ist: Wie wichtig sind welche Daten für die eigene Organisation mit zentralem Blick auf den Kunden und Marktanforderungen? Lassen sich die Daten noch mit anderen Daten anreichern oder untereinander in eine Beziehung setzen? Welche Informationen ließen sich aus diesen Daten generieren und welchen Wert haben diese Informationen für die Einrichtung? Diese Fragen sollte sich der IT-Bereich nicht alleine beantworten, sondern über alle Fachbereiche und Führungsebenen einer der „digitalen Ankerpunkte“ sein. Ansonsten besteht die Gefahr, dass Datenquellen nicht beachtet oder die Daten und deren Wert falsch bewertet und / oder konsolidiert werden.
3. Prozesse analysieren und ggf. anpassen
Moderne ERP-Lösungen lassen sich viel leichter an die Wünsche der Anwender im Rahmen von Customizing (auch durch das Unternehmen selbst) anpassen, ohne dass hierfür ein aufwändiges Programmieren und tiefes Eingreifen in die Systemarchitektur erfolgen muss. Daher ist es sinnvoll, dies für sich zu nutzen und die eigenen Mitarbeitenden zu fragen, welche Prozesse sich vereinfachen und welche Routineaufgaben sich automatisieren ließen. Es lohnt sich, dieses Thema unabhängig von einer geplanten, neuen ERP-Lösung anzugehen, um hier technologieneutral zu entscheiden. Das Ziel sollte es sein, alle Chancen für Vereinfachung und Automatisierung zu nutzen und dies als Basis für eine mögliche ERP-Neuausrichtung zu nutzen.
4. Schrittweise steigern bei Automatisierung und Informationsnutzung
Moderne ERP-Lösungen können Daten in Echtzeit verarbeiten, die sie beispielsweise aus der Einsatzplanung oder dem Dokumentationsprozess erhalten. Damit dies gelingt und so das volle Potential der Daten genutzt wird, sollte ermittelt werden, welche störenden Brüche auf dem „Datenweg“ ins ERP noch existieren und eliminiert werden sollten, sei dies zwischen Datenformaten, IT- oder Geschäftsprozessen, etc. Idealerweise sollte künftig eine einheitliche Datenplattform bereitstehen, so dass alle Businessfunktionen direkt abgebildet werden können. So hätten alle, ob Controller, Geschäftsführer, Fachbereichsleiter, Teamleiter und Teilhabeassistenz, den Zugriff auf nicht nur identische, sondern vor allem auch aktuelle Daten.
5. Roadmap für Digitalisierung aufstellen
Nach diesen Vorüberlegungen hinsichtlich der eigenen Ziele, Datenbestände, Prozesse und störender Brüche, lässt sich aus diesen Informationen heraus eine Roadmap für die eigene Digitalisierungsstrategie für das ERP-System entwickeln. Dabei sollten Sie sich technologisch immer mehr in Richtung cloudbasiert aufstellen. Denn nur so wird lässt sich das ERP-System dauerhaft gut pflegen, auf aktueller Basis betreiben und natürlich entsprechend den immer schneller werden Change-Anforderungen im Sozialwesen angepasst, verändert, erweitert werden können. Für die Erstellung der Roadmap sollten unterschiedliche Vorgehensweisen geprüft und mit entsprechenden Experten abgewogen werden. Die Erarbeitung der Roadmap ist die Basis für die nächsten Change- und Transitionsphasen – sowohl auf Seiten der Systeme und Prozesse, wie auch hinsichtlich der eigenen Organisation und Unternehmensstruktur.
Der Autor: Dr. Martin Weiß ist als Geschäftsführer in der akquinet AG tätig